Tilgen oder Sparen
Die Deutschen werden oft als als Weltmeister im Sparen bezeichnet. Das wird auch immer wieder durch aktuelle Untersuchungen bestätigt. Ausgehend davon sollte man meinen, dass in der Bevölkerung eine finanzielle Intelligenz im Bezug auf den Umgang mit Geld besteht. Doch das scheint nicht immer der Fall zu sein.
Immer wieder treffe ich auf Menschen, die sich insbesondere beim Immobilienkredit äußerst merkwürdig verhalten. Sie tilgen den Immobilienkredit mit der minimalen Tilgungsrate von 1%. Zusätzlich verzichten sie sogar auf die jährlichen Sondertilgungsmöglichkeiten. Wenn man sich mit diesen Menschen über dieses Vorgehen unterhält, bekommt man sehr oft zu hören, dass es sich nicht lohnt viel zu tilgen, weil die Inflation das Geld entwertet und die heutige Kreditrate von beispielsweise 750€ in 20 -30 Jahren nichts mehr wert ist.
Diese Empfehlung habe ich sogar auch schon von Bankberatern gehört. Darin sehe ich auch den Grund, warum die Meinung so weit verbreitet ist, denn die Bank verdient ganz ordentlich an solchen Kunden.
Warum nehmen diese Menschen nicht einfach Strift und Papier zur Hand und machen sich den Unterschied klar. Hier habe ich kleine Beispiele mit einer Kreditsumme von 150.000€ und einem Zinsatz von 3% durchgerechnet.
Fall 1: 1% Tilgung, Monatsrate 500€ ohne Sondertilgung
Ergebnis nach 25 Jahren: Restschuld 94.000€, gezahlte Zinsen ebenfalls 94.000€.
(Bei unveränderten Konditionen ist man erst nach 46Jahren schuldenfrei)
Fall 2: 1% Tilgung, Monatsrate 500€ mit jährlicher Sondertilgung von 4500€ (3%).
Ergebnis nach ca 18 Jahren: Restschuld 0€, gezahlte Zinsen 45.000€.
Fall 3: 1% Tilgung, Monatsrate 500€ mit jährlicher Sondertilgung von 7500€ (5%).
Ergebnis nach ca 14 Jahren: Restschuld 0€, gezahlte Zinsen 31.000€.
An diesen drei kleinen Beispielen mit der kleinen Kreditsumme von 150.000€ (Kreditzins 3%) wird ganz deutlich klar wie sich die gezahlten Zinsen auf die Laufzeit summieren, wenn sie keine Sondertilgung wahrnehmen. Beispiele mit Variation der monatlichen Kreditraten würden Ergebnisse gleicher Größenordnung hervorbringen. Ähnliche Rechnungen habe ich schon aufgestellt als es um die Frage “Hausfinazierung ohne Eigenkapital?” ging.
Also lassen Sie sich nicht hinters Licht führen, wenn der Berater Ihnen rät lieber bei einer niedrigeren Monatsrate zu bleiben.
Doch was ist mit der Frage, ob man nicht lieber sparen statt tilgen sollte.
Wir haben an den drei Bespielen gesehen, dass Tilgen sinnvoll ist, um die gezahlten Zinsen zu minimieren. Aber angenommen Sie haben 4.500€ übrig und fragen sich, ob Sie das Geld nicht doch lieber anlegen statt den Kredit zu tilgen.
Aus meiner Sich macht das nur dann Sinn, wenn Sie für die Geldanlage mehr Zinsen bekommen als Sie für den Kredit bezahlen. Ich kenne Menschen die 5% Zinsen für den Immobilienkredit zahlen und parallel Sparbriefe zu 1.5% (Laufzeit 5Jahre) kaufen. Wo da der Sinn ist, können diese Menschen oft auch nicht erklären. Die gezahlten Kreditzinsen sind ihnen nicht bewusst und so verbrennen sie ihr Geld.
Selbst bei den aktuell sehr niedrigen Kreditzinsen ist es schwer eine sichere Anlage zu finden, die mehr bringt als der Kredit kostet. Die Zeiten wo Tagesgeld zu 4% verzinst wurde sind erstmal vorbei. Klar werden attraktive Angebote beworben, aber es gibt keinen hohen Zinssatz ohne ein hohes Risiko. So würde ich keinem, der einen Immobilienkredit aufnimmt, empfehlen sein Geld in spekulative Anlagen zu investieren.
Die Alternativen die da noch bleiben sind sehr überschaubar. Die einzigen relativ gut verzinsten Anlagen ohne Risiko, die mir einfallen, sind alte Bausparverträge. Im Bekanntenkreis sind Baussparverträge vorhanden, die noch mit 3% verzinst werden. Falls Sie so einen Baussparvertrag haben, dann halten Sie daran fest. Die Banken sind nämlich sehr hinterher den Kunden diese Verträge zu kündigen.
Fazit
Aus meiner Sicht sollte man zusehen, dass man das Eigenheim so schnell wie möglich abzahlt. Ein Kollege von mir hat das mal sehr treffend als ”Tilgen wie die Drecksau” bezeichnet. Behalten Sie diese Aussage bei der Finanzierungsplanung in Hinterkopf. Wenn Sie sich für niedrige Raten entscheiden, dann nehmen Sie wenigstens die jährliche Sondertilgung wahr, denn jeder Euro, den Sie an Zinsen zahlen, ist einer zu viel. Die Beispielrechnungen belegen es eindrucksvoll.
Erst im zweiten Schritt sollten Sie sich Gedanken über Geldanlage machen. Wobei sichere Anlagen mit anständigen Zinsen aktuell praktisch nicht existieren. Ob spekulative Anlagen eine Alternative darstellen, muss jeder für sich selbst entscheiden.
P.S. Ein aktueller Artikel der Zeitschrift “Die Welt”(http://www.welt.de/print/welt_kompakt/print_wirtschaft/article132987988/Deutsche-Sparweltmeister.html) beschreibt das Sparverhalten der letzten Jahre.
4 Comments
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”Tilgen wie die Drecksau”
Schön und gut, ich tätige auch Sondertilgungen, aber alles im Rahmen. Aber was hab ich davon, wenn ich mein Haus in 20 Jahren abbezahlt hab aber bei der ganzen Tilgerei vergessen habe, mir während dieser Zeit auch mal „Unnützes“ zu leisten – also schlicht und ergreifend zu LEBEN – und stattdessen alles in die Hütte gesteckt hab…
Ob mein Haus 20.000 Euro Restschuld drauf hat oder abbezahlt ist wenn ich abnippel ist mir persönlich egal egal. Mitnehmen kann ich die Hütte und meine Kohle eh nicht wenn es soweit ist…
Vielen Dank für den Kommentar.
Ihre Frage muss jeder für sich selbst beantworten.
Wir sind alle auf der Welt, um zu leben. Wie man sich sein Leben gestaltet bleibt jedem überlassen.
Beste Grüße und eine guten Rutsch in neue Jahr
Johannes
Ich denke der Aspekt mit Steuern wurde hier nicht beleuchtet bzw. berücksichtigt. Ich denke man muss einen gesunden Ausgleich zwischen Tilgung und Zins finden und diesen auf jeden Fall berücksichtigen. Denn die Tilgung ist für das Finanzamt keine Ausgabe, sondern ein Vermögenszuwachs, und mindert daher auch nicht die Steuerlast, auf anderen Seite mindert der Zins deine Steuerlast.
Bin kein Experte, aber das wäre hier Interessant zu wissen, wie das Tatsächlich eine Rolle spielt!?
Hallo,
irgendwie verstehe ich den Punkt nicht.
Die Kreditzinsen für eine eingengenutzte Immobilie können, meines Wissens, nicht von der Steuer abgesetzt werden.
Eine Auswirkung auf die Steuerlast sehe ich nicht, lasse mich aber gerne belehren.
Grüße
Johannes