Hausfinanzierung ohne Eigenkapital (Vollfinanzierung)

vollfinanzierung

Immer wieder höre ich die Aussage, dass man bei den aktuell extrem niedrigen Kreditzinsen ruhig eine Vollfinanzierung ins Auge fassen sollte. Ob das so stimmt oder nicht, möchte ich in diesem Artikel näher beleuchten.

Was ist eine Vollfinanzierung?

Von eine Vollfinanzierung spricht man, wenn Sie sich den kompletten Kaufpreis oder sogar noch den Betrag für die Nebenkosten von der Bank leihen. Das bedeutet, dass Sie mehr Kredit aufnehmen als Ihre Immobilie wert ist.

Voraussetzung für eine Vollfinanzierung

Es gibt tatsächlich Banken, die Immobilien voll finanzieren. Das klingt erstmal so, als ob sich jeder eine Immobilie kaufen könnte. Fakt ist jedoch, dass es gar nicht so einfach ist an eine Vollfinanzierung zu kommen. Denn die Banken wollen Geld verdienen und keines verschenken.

Bei einer Vollfinanzierung besteht für die Bank ein höheres Risiko, dass sie das Geld nicht wieder bekommt. Aus diesem Grund prüft die Bank diese Fälle besonders gründlich.

Es werden nicht nur Sie als Person gründlich geprüft (Einkommen, Jobverhältnisse, etc.), sondern auch die Immobilie. Sollte es sich z.B. um ein altes Haus handeln, das noch umfangreich renoviert werden muss, dann müssen Sie schon gründlich begründen wie Sie die Renovierungskosten stemmen möchten.

Falls Sie aktuell also kaum über die Runden kommen, Ihr Job vielleicht nicht ganz sicher ist oder Sie sogar selbständig sind, dann haben Sie schlechte Karten für die Vollfinanzierung.

Nachteile einer Vollfinanzierung

Die Bank muss das höhere Risiko bei einer Vollfinanzierung berücksichtigen. Sie macht das, indem sie Ihnen einen teureren Kredit verkauft. Das heißt, dass Sie höhere Zinsen zahlen müssen. Das bedeutet, dass Ihnen höhere Kreditraten auferlegt werde, um den Kredit abzuzahlen.

Sollten Sie in dieser Situation in Zahlungsschwierigkeiten kommen, dann ist Ihr Haus ruck zuck weg. Schlimmer noch. Falls der Hausverkauf nicht den Bankkredit decken kann, müssen Sie den Rest noch abbezahlen.

Wann macht eine Vollfinanzierung Sinn?

Aus meiner Sicht gibt es nur eine Situation, in der man ein Haus voll finanzieren kann. Sie müssen so viel Geld haben, das keine Zahlungsschwierigkeiten aufkommen. Zusätzlich benötigen Sie eine Möglichkeit Ihr Geld so gut anzulegen, dass Sie damit mehr erwirtschaften als Sie für die Kreditzinsen bezahlen.

Selbst wenn Sie überlegen ein Haus voll zu finanzieren und es anschließend von einem Mieter abzahlen zu lassen, würde ich Ihnen davon abraten. Dann das kann nur dann gut gehen, wenn Sie genügend Geldreserven haben. Andernfalls bricht das Vorhaben bei den kleinsten Schwierigkeiten zusammen.

Fazit

Für eine normale junge Familie ist eine Vollfinanzierung aus meiner Sicht in den seltensten Fällen sinnvoll. Viele vergessen die hohen Zinsen oder machen sich diese nicht bewusst. Dabei ist es eigentlich sehr einfach. Je mehr Geld man sich leiht, um so mehr Zinsen muss man zurückzahlen. Am Ende muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er sein Haus mehrfach bezahlen möchte.

Beispiel:

Sie machen eine Vollfinanzierung in Höhe von 250.000€. Sie bekommen einen Kreditzins von ca. 2,9% (Stand: Okt. 2014 mit einer Zinsbindung von 20 Jahren). Daraus ergibt sich eine monatliche Rate von ca 1020€ bei 2% Tilgung.

Nach 20 Jahren sieht die Situation wie folgt aus.

  • Sie haben gerade mal 135.000€ zurückgezahlt und haben noch eine Kreditsumme von 115.000€ vor der Brust.
  • Sie haben ca. 110.000€ an Zinsen an die Bank bezahlt.

Nach weiteren 11 Jahren ist Ihr Kredit abgezahlt und Sie haben nochmal 40.000€ Zinsen gezahlt.

Das heißt, dass Sie für Ihr Haus nicht 250.000€, sondern 400.000€ zahlen, und das beim einem Zinssatz von gerade mal 2,9%.

Also überlegen Sie gut, wieviel Geld Sie sich von der Bank leihen.

8 Comments

  1. Ein sehr informativer Artikel. Mittlerweile gibt es doch immer mehr Menschen, insbesondere auch jüngere, die kein EIgenkapital aufweisen können, da ist es gut zu wissen, ob dies möglich ist und welche Vor- und Nachteile das ganze mit sich bringen würde.

  2. Hi,
    ich halte ja nichts davon, sich eine Immobilie zu kaufen ohne dass man Eigenkapital vorweisen kann.
    Wenn man es im Vorfeld nicht geschafft hat Geld zu sparen, warum sollte das dann in den nächsten 20+x Jahren klappen? Sehr riskant und es kommt für uns zum Glück auch nicht in Frage.

  3. Vielen Dank für die hilfreichen Artikel.
    Wir planen eine Bestandsimmobilie zu kaufen und ich stöber im Netz um dafür gerüstet zu sein.
    In deinen zahlreichen Artikeln habe ich tolle Hinweise gefunden. Vielen Dank!
    Einen Punkt möchte ich aber bei der obigen Berechnung zusteuern… nach 20 Jahren hätte ich 150000 Euro Zinsen an die Bank gezahlt, bin dann aber vollständig Eigentümer einer Immobilie mit dem ca. Wert von 250000 Euro. Wert hängt davon ab, wie der Zustand der Immobilie nach 20 Jahren ist. ABER hätte ich z.B. in einer Mietwohnung für Kalt 800,- Euro gelebt, hätte ich 192000 Euro an den Vermieter gezahlt und stände ohne Gegenwert dar. Bei soliden Einkünften und solider Lebensweise kann sich das dennoch rechnen.

    1. Hallo,

      vielen Dank für Ihre Anmerkungen.

      Eine finanzielle Sinnhaftigkeit eines Hauskaufes hängt natürlich sehr von der individuellen Situation ab und kann sich evtl. rechnen. Das soll hier aber zu keiner Grundsatzdiskussion ausarten über Pro oder Kontra für Hauskauf.

      Der Artikel soll einfach verdeutlichen wie sich selbst die aktuell niedrigen Zinsen auf die Endsumme eines Kredites auswirken, die Sie dann real bezahlen. Je mehr Geld Sie sich leihen, umso mehr Zinsen müssen sie zurückzahlen (bei gleicher Rate).

      In dem beschriebenen Fall zahlen Sie für den aufgenommenen Kredit von 250.000€ am Ende (nach 31 Jahren) 400.000€ an die Bank zurück. Und das ist einfach ein Fakt, den man sich bewusst machen muss.

      Und in den 31 Jahren müssen Sie natürlich ganz viel Geld in die Hand nehmen, um den Wert des Hauses zu erhalten. Wahrscheinlich fallen folgende Investitionen in dieser Zeit an:
      – evtl. Dachausbesserung
      – 2x Heizung
      – evtl. neue Fenster
      – 2x neuer Anstrich
      – neues Bad
      – diverse Ausbesserungen im Haus.

      Ganz, ganz optimistisch sollte man von min. 1% Wertverlust pro Jahr ausgehen. Bei 31 Jahren sind das 30% Wertverlust.

      Alternativ könnte man sich anschauen, was mit der Differenz von 220€ (Kreditrate 1020€ – Miete 800€) angespart werden kann, wenn man das monatlich anlegt. Hier eine kleine Übersicht http://www.zinsen-berechnen.de/sparrechner.php?paramid=roubm5atvd dazu.
      Wenn man dann noch das Geld für die Werterhaltung mit anlegt, kann ein Wohnen zur Miete durchaus finanziell sinnvoller sein.

      Fazit: Jeder sollte alles individuell für sich durchrechnen, denn finanziell muss sich ein Haus nicht rechnen.
      Dei Kosten für die Werterhaltung sollten nicht unberücksichtigt bleiben!

      Aber wie gesagt, das soll keine Grundsatzdiskussion werden.

      Viel Erfolg bei Ihrer Haussuche.
      Beste Grüße
      Johannes

      1. Ob sich die Miete tatsächlich gelohnt hat, merkt man dann erst mit der Rente.

        Bis dahin hat man Mieterhöhungen, Kündigungen wegen Eigenbedarf, endlose Wohnungssuchen, Umzüge, Schimmel, Vermieter die sich nicht kümmern, wenig Gestaltungsspielraum (will man was in der Wohnung wesentlich ändern, wenn man es zurück bauen muss oder am Ende der Nachmieter/Vermieter profitiert?) und immer das Wissen im Hinterkopf, dass man vielleicht bald was Neues suchen muss.

        Und was bedeutet kein Eigenkapital?
        Überall liest man „Ja, wer kein Eigenkapital für sein Haus hat – bis dahin nichts ansparen konnte – der wird das auch in Zukunft nicht können“
        Aber Moment mal! Hauskauf ohne Eigenkapital, bedeutet nicht automatisch, keins zu haben. Vielleicht will man es einfach nur nicht einsetzen? Weil man eben Barmittel für Renovierung und Sanierung haben möchte.

        Und die Rechnung mit der Mietwohnung geht für mich auch nicht auf. Selbst wenn die Miete günstiger sein mag als die Rate – die Miete selbst ist futsch. Man bekommt dafür Wohnrecht – aber das ist schon alles.

        Bei uns sieht so aus:
        Miethaus Wohnfläche 60m2 für 2 Personen (1 Kind wäre gerade noch so mit ganz vielen wohnlichen Kompromissen möglich) für ~500€ kalt.

        Rate fürs Haus (Wohnfläche 100m2) ohne Eigenkapital ~700€. 2 Kinder kein Thema. Sogar 3 wären mit Ausbau im Keller kein Problem.

        Nun könnten wir jeden Monat die Differenz sparen bis wir wenigstens die Nebenkosten haben. Sind 6 Jahre. Das spart uns dann nach aktuellem Stand 28.000€ Zinsen. Rate wird um knapp 70€ günstiger.

        Haben für diese Ersparnis aber in der Zeit 36.000€ an Miete gezahlt.

        Würden wir eine Wohnung mit identischer Fläche mieten, wäre der Unterschied noch heftiger.

        Und die Preise steigen. Und wie lange die Zinsen so niedrig sind…..

  4. Ich find es auch immer wieder schade, dass man bei dem Wort „Vollfinanzierung“ schief angeguckt wird. Ein nettes Rechenbeispiel, aber die meisten „Vollfinanzierenden“ haben sich das sicherlich bis ins kleinste Detail durch gerechnet.
    Für uns steht „mietfrei in Rente gehen“ im Vordergrund.
    Man soll so früh wie möglich kaufen, so früh wie möglich beginnen abzuzahlen und wenn man dann mit unter 30Lj. da steht und außer bisschen Riester und Bausparer (Danke Mama und Papa.. Wer denkt mit 18 an die eigenen 4 Wände) nix hat, darüber die Nase rümpfen! Wer sitzt denn in den Zwanzigern auf 60-80.000 Eigenkapital, wenn man nicht gerade gut geerbt hat oder die Familie solch eine ENORME Summe locker machen kann (und auch gewillt ist, dass zu vergeben).
    Ich finde es unmöglich, uns Vollfinanzierern Leichtsinn, Unsinn und schwache Rechenfähigkeiten vorzuwerfen. Immerhin müssen wir auch gewisse Nettoeinkommen aufweisen können, die gute Jobs und damit (meist) verbunden einen gewissen Intellekt voraussetzen.
    In unserem Bekanntenkreis finanziert jeder mindestens 95%. Und wenn ich mir unsere „jugendlichen“ Nachbarn in ihren KfW 55 Hütten so ansehe, dann werden auch diese keine 20% + Kaufnebenkosten aufgebracht haben.
    Miete ist derzeit eigentlich keine sinnvolle Option mehr, wenn man irgendwie kaufen kann.

  5. Der Artikel ist von 2014. Und wenn man damals gewusst hätte, wohin die Reise geht, so hätte man ggf. die ein oder andere alternative Empfehlung abgegeben. Ich habe tatsächlich voll finanziert (Großraum Stuttgart, Nebenkosten aus eigener Tasche), da ich mich entscheiden musste, mit knapp 30 noch 10 Jahre Geld zu sparen oder jetzt eine eigene Wohnung zu haben.

    Was soll ich sagen, die Wohnung hatte damals 230.000€ gekostet und hat meiner Bank zufolge nun einen Wert von 400.000€. Hätte ich gewartet, würde ich heute noch in Miete leben und würde da auch nicht so einfach rauskommen – weiß man vorher nicht zwingend, aber ist ein Gedanke wert.Es war auf jeden Fall eine meiner besseren Entscheidungen, wenn auch vielleicht die Konditionen nicht optimal waren.

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